Implantate helfen, schrittweise wieder das Hören zu lernen

 

Cochlear-Selbsthilfegruppe

 

Die Behinderung wird von Dritten nur selten wahrgenommen. Aber taub oder fast gehörlos leben zu müssen, bereitet den Betroffenen oft großeQualen. "Man ist wie abgeschnitten und fällt in ein ganz tiefes Loch", sagt Karin Rissel.

Die Velenerin kann es beurteilen, leidet sie doch seit vielen Jahren an ihrem immer schlechter arbeitenden Gehör. Zuletzt war sie fast taub, aber das Cochlear-Implantat hat dies geändert.

"Das war die Rettung", erinnert sie sich. Den Moment, als sie im eigenen Garten "nach über 20 Jahren zum ersten Mal" die Kirchenglocken hörte, wird sie wohl nie vergessen.

Mit dem lateinischen Begriff Cochlear bezeichnen die Mediziner die Schnecke im Innenoh.

Ihre Erfahrungen mit der Krankheit und der Medizintechnik bringt Rissel seit Januar 2013 als Leiterinin die "Selbsthilfegruppe für Cochlear-Implantate Ruhrgebiet Nord" ein. 49 Mitglieder zählt diese, etwa 20 besuchen die regelmäßigen Treffen. Dazu kommen Betroffene und deren Angehörige alle zwei Monate an jedem dritten Samstag im evangelischen Lukas-Zentrum in Raesfeld zusammen.

Warum dort? "Das liegt schön Zentral", antwortet Rissel, die die Gruppe mit ihrem Mann Karl-Heinz gemeinsam leitet. Seit zwölf Jahren besteht dieser Zusammenschluss mittlerweile, wurde damals von der Dostenerin Elvira Mager gegründet. Aus den Kreisen Recklinghausen und Wesel kommen die meisten Mitglieder und Betroffenen.

Sie begrüßen auch Hörgeschädigte, die noch vor der Entscheidung für oder gegen ein Implantat stehen."Eine Kopf-OP- das ist schon so eine Sache", erinnert sich Karin Rissel an ihre Bedenken, bevor sie sich in einer Fachklinik in Hannover den Ärzten anvertraute. Ihre Erfahrung:"Es ist wichtig, welche Nachsorge die Klinik macht."

"Das ist keine Hörhilfe, es ist eine Prothese", stellt sie zu den Cochlear-Implantaten klar.  Diese umgehen die verkalkten Gehör-Knöchelchen, die zerstörten oder fehlenden Haarzellen und stimmulieren den Hörnerv direkt. Dieser müsse noch funktionieren, so Rissel, sonst helfe das Implantat nicht.

"Es ist schon toll, dass es so etwas gibt", betont sie. Seit rund 25 Jahren exestiert diese Technik, an der stets gearbeitet werde. Nur: "Man muss es erstmal üben" dämpft die Velenerin übertriebene Erwartungen. Hörnerv und Hirn seien langsam ( wieder ) mit dieser Aufgabe vertraut zu machen.

Dabei haben die Cochlear-Implantate-Träger ( deutschlantweit sind es nur rund 30.000 ) mit einem weiteren Problem zu kämpfen. Oft fehlen in öffentlichen Gebäuden, Theater oder Kinos, Induktions-Schleifen, die die extrem störenden Nebengeräusche heraushalten. Ihre Erfahrung: Die Hörgeschädigten säßen mittendrin, "sie lachen und applaudieren mit den anderen, aber verstanden haben sie nichts".

Karin und Karl-Heinz Rissel verweisen auf die gesetzliche Pflicht zur Barrierefreiheit. Das Paar hofft, dass eine solche Schleife beim Umbau des Borkener Vennehofs gelegt wird. Bislang fehle sie.

Das benachbarte Coesfeld sei bei dem Thema weiter, loben beide übereinstimmend.

Die Selbsthilfegruppe unternimmt Fahrten, macht Besichtigungen ("alles immer mit neuer Technik". ) und lädt Referenten ein. Rissel lobt: "Das ist eine tolle Gruppe; alle machen etwas."

Das nächste Treffen ist am 15. März, ab 15.30 Uhr. Thema eines Vortrags sind Patientenverfügungen.

Zum Thema: die komplizierte Technik

Zur komplizierten Technik der Cochlear- Implantae nur soviel:

Über ein Mikrofon werden die Schallschwingungen, Sprache

oder Musik, aufgefangen und von einem Prozessor in ein elek-

tronisches Muster verwandelt. Dieses wird an das Implantat weiter

geleitet und entschlüsselt. Die Signale kommen dann beim Elek-

trodenträger an und werden durch einzelne Elektroden zum Hörnerv

transportiert, der die Informationen ans Gehirn weitergibt. Hier werden

die entstandenen Reize als Töne oder Sprache erkannt.

Die nötige Sonde wird in die Gehörschnecke geführt. Wichtig ist aber:

Hören mit den Implantaten ist mit der "normalen" Wahrnehmung nicht

zu vergleichen.

Quelle: Borkener Zeitung vom 15.02. 2014

Verfasser: Andreas Rente